Bevor sich alles nur noch im
Vorstellungs-Thread abspielt, möchte ich hiermit die Gelegenheit nutzen und -- eines nach dem anderen -- meine beiden Schweizer Armeefahrräder vorstellen.
Um die "Tradition" dieses Threads nicht zu brechen, beginne ich mit meinem Schweizer Ordonnanzfahrrad 05 (Ord Frd 05).
Das Fahrrad wurde 1950 von der Firma
Schwalbe, damals schon in Bad Ragaz (SG) und nicht mehr in Uster (ZH), gebaut und trägt die Seriennummer 38607. Es sollten bis 1988 noch über 30000 Exemplare nachfolgen, die von verschiedenen Firmen (neben
Schwalbe noch
Alpa,
Condor,
Cosmos,
Maschinenfabrik Gränichen und
Zesar) gebaut wurden.
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Wie im Vorstellungsthread schon geschrieben, hört dieses Exemplar auf den Namen
Tell, nicht zuletzt da meine Frau meinte, dass es "Charakter habe". Überhaupt habe ich es nur ihr zu verdanken, dass ich diesen ehrwürdigen "Göppel" fahren kann. Sie wusste um mein Interesse an diesen Rädern und begann eines Abends im Biergarten auf dem Händi in
eB*y nach verfügbaren Exemplaren zu suchen, da, wie sie es ausdrückte, "ein Mann ein Hobby brauche".
Das Rad der Wahl stand sogar in München, und der Verkäufer wohnte ganz in der Nähe meines Amtes, so dass ich nur wenige Tage später in der Mittagspause meine Erwerbung in Empfang nehmen konnte.
Statt einem "Restaurierungsobjekt" hatte ich ein funktionstüchtiges gut erhaltenes und schön anzusehendes altes Fahrrad bekommen. Okay, die Beschreibung hatte nichts anderes behauptet, aber ein Bisschen Misstrauen hatte ich schon gehegt und war davon ausgegangen, das gute Stück erst einmal mit der U-Bahn nach Hause bringen zu müssen. Statt dessen konnte ich gleich heimradeln (und musste dann mit der U-Bahn wieder ins Amt fahren, um meinen Rohloff-
Trekker heimzuholen).
Soweit ich es im Laufe der Monate überprüfen konnte, war es wirklich original und nicht verbastelt. Auch wenn nicht mehr alle Teile aus dem Jahr 1950 (oder früher) stammen, sind sie stets als Reparaturen erklärbar. Der Sattel als ältestes Teil stammt aus dem Jahre 1942 und die Werkzeugtasche als neuestes aus dem Jahr 1990, gefertigt von der Sattlerei
S. Boschung aus Plaffeien im Kanton Fribourg (FR), wie die Prägungen im Leder zeigen.
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In den 1980er Jahren wurden die schmucken
Phoebus-Beleuchtungen nachgerüstet. Der Dynamo ist insofern ein tolles Stück, da er zwei getrennte Läufer hat, je einen für Front- und Rücklicht. Aber gegen einen modernen LED-Scheinwerfer kann die Lichtanlage keinen Stich mehr machen.
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Ganz sicher ausgetauscht wurde das Kettenblatt, da es das
charakteristische Muster der Firma
Condor zeigt, welche als einzige bis zuletzt das
Ord Frd 05 gebaut hat. Auch ist die geriffelte Torpedonabe ein Ersatzteil, da diese 1950 noch nicht in dieser Form zur Verfügung stand.
Von meiner Seite wurden auch ein paar Dinge verändert, die nicht "originoool" sind: Es beginnt mit der Rahmentasche, die wie die Mantelrolle am Lenker eine schnöde Replik ist. Allerdings sind mir Originale zu wertvoll (und zu teuer!), um sie im Alltag zu benutzen. Denn bei gutem Wetter fahre ich sehr gerne mit
Tell in die Arbeit oder auch auf längere Touren. Nicht original, aber originalgetreu, ist das "Gepäckrollenkreuz" an der Karbidlampenhalterung, wo die Mantelrolle ihren Platz findet. Es war gar nicht so leicht, dem Beamten auf dem Zollamt in Garching zu erklären, wofür dieses schwere Metallteil gebraucht wird.
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Die originalen
Maloya-Reifen habe ich eingelagert und durch zeitgenössische asiatische
Deestones ersetzt, nachdem ich das schreiend-
orange Logo geduldig mit Edding geschwärzt hatte. So habe ich gleich einmal gelernt, Wulstreifen aufzuziehen. War einfach! Die linke hintere Radmutter habe ich durch einen -- 1950 durchaus noch montierten -- "Aufsteiger" ersetzt, und für die Sicherheit im Stadtverkehr habe ich auch Halterungen für Akku-LED-Leuchten sowie Speichenreflektoren angebracht.
Zuletzt habe ich noch eine "orignal-nahe" längere Sattelstütze montiert, die es mir erlaubt, knieschonender zu fahren. Als das
Ord Frd 05 im Jahre 1904 konstruiert wurde, waren die Rekruten deutlich kleiner als heute -- und als ich mit meinen 1,93 m sowieso.
Bei Ausfahrten wird
Tell aufgebrezelt und darf zusätzlich zur Mantelrollen-Replik (derzeit
noch gefüllt mit einer 1,9-kg-Wolldecke der Schweizerarmee) auch original Zeltstangen und einen originalen Brotbeutel (im "Salz-und-Pfeffer"-Design) schleppen:
Die Bilder zeigen
Tell am letzten Wochenende, das ich gleich zum Fotografieren genutzt habe, als
Tell bei schönem Wetter einmal (halbwegs) sauber und frisch mit Waffenreinigungsöl eingerieben war. Wenn ich oben geschrieben habe, dass die Mantelrolle derzeit "noch" mit einer zwar stilechten, aber einfach sauschweren zusammengerollten Wolldecke der Schweizerarmee gefüllt ist, so weist das darauf hin, dass ich derzeit an einer alltagstauglicheren Lösung arbeite.
Hin und wieder ziehe ich über meinen Radlhelm einen Tarnüberzug im "bunten" M71-Muster und hänge ihn auch noch vor die Mantelrolle.
Puh, viel zu lang ...
Hoffe, es gefällt dennoch!
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